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willkommen
im alltag.

Geschriebenes. Wörter. Kolumne

#1 Doppelkopf

Fuchs, Dulle, Bockrunde, Re…chts oder links? Keine Ahnung was das alles bedeutet und für was das alles gut ist. Wilde und sinnbefreit klingende Abkürzungen für ein Kartenspiel welches immer mehr Beliebtheit in diversen Freundeskreisen gewinnt. Gespielt wird klassischerweise mit einem doppelten französischen Blatt mit insgesamt 48 Karten. Der Geruch von frisch geöffneten Karten. Den werde ich wohl nie vergessen. Mein Vater hat damals wie heute das Skat Turnier im Hausmeisterkeller von Günther in meiner alten Schule organisiert und hatte deswegen immer circa zwanzig niegelnagelneue Kartenspiele von der Kreissparkasse in seiner immerzu klemmenden Schublade.
 

Einmal habe ich mich an dem niemals beim ersten Mal zu verstehenden Spiel versucht. Gefühlte fünf Stunden Erklärung für ein paar Runden die im frustrierenden und enttäuschten Abgang meinerseits endeten. „Nie wieder. Und tschüss!“. Eigentlich ist es doch nur ein Spiel. Das ganze Leben ist ein Spiel, oder? Oder wie Hape Kerkeling sagen bzw. singen würde doch eher ein Quiz? Und wir als Kandidaten müssen immer die richtige Antwort parat haben? Müssen wir? Müssen wir immer das richtige sagen? Immer die richtigen Antworten finden und bloß keine Frage falsch beantworten?

Manchmal fühlt es sich so an. Die Nachbarn wählen ohne zu fragen anstatt dem Jägerzaun ein 6,5 cm höheren neumodischen Bauhaus-Zaun aus und direkt findet das jährliche Nachbarschaftsgrillen ohne diese elendigen Verräter statt. Nicht jede Zaunhöhe ist gleich. Manche Menschen würden sich freuen einen Zaun um den eigenen Garten setzen zu können. Grenzen zum ab-grenzen! Endlich in Ruhe auf der Sonnenliege entspannen oder doch eher viel zu oft als anfangs gedacht den Rasen mähen! Auf der anderen Seite wären viele Menschen froh, wenn ein solcher Zaun niemals erfunden worden wäre. Grenzen zum aus-grenzen?
 

Eine falsche Lattenfarbe beim Zaun. Ein falsches Wort beim Kartenspielen? Und schon war´s das! Schluss aus Ende. Woher kommt das? Wer hat uns das beigebracht? Sture Superbockrunden? Getreu dem Motto, wie es einer meiner liebsten Menschen immer sagen würde „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“, sollten wir doch alle viel mehr „falsches“ sagen um drüber sprechen zu können, drüber zu diskutieren, drüber streiten zu können. Am Ende ergeben sich dadurch meistens immer ganz neue und spannende Sichtweisen die das alles (dieses Quiz da) ein Stück verständlicher und greifbarer machen. Der erste Schritt zu den Nachbarn ist zwar sicher nicht der leichteste, anderseits hat selbst Kevins es geschafft seinen Nachbarn Marley davon zu überzeugen seinen Sohn nach all den Jahren anzurufen und zum Weihnachtfest einzuladen. Ente gut. Alles gut. Weihnachten und Enten zum Abendbrot sind dann sicher ganz andere Themen….

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Vielleicht könnte Hape seine fiktive Quiz-Show ja nochmal aus der Schublade holen. Falsche Antworten ausdrücklich erwünscht.

 

Für eine Runde Doppelkopf würde ich mich wohl anmelden!

#2 Pommes am Horizont

Hin und her wippen geht damit immer besonders gut. An die durch die unzähligen Stunden voller kräftiger Sonnenstrahlen schon fast komplett ausgeblichene Sonnenliege mit klappbarem Metallgestell muss ich immer als erstes denken, wenn ich mich dabei erwische, kurz auch mal den Traum der meisten Menschen in Deutschland zu träumen. Der Traum vom Eigenheim mit Satteldach, doppelter Garage und prächtig (oder mächtig?) angelegtem Vorgarten. Zum Glück sind die Schottergärten mittlerweile auf dem vom Grün überwucherten Weg zurück in die Steinzeit.

 

Aber warum träumen denn so viele doch insgeheim immer noch von diesem eigenen Haustürschlüssel ins Glück? „Auf diese Steine können Sie bauen“. Liegt es an dem sympathisch gezeichneten Fuchs aus der TV-Werbung Mitte der 90er Jahre? Oder waren es doch die 00er Jahre? Naja, irgendwas muss diese Werbung doch mit uns gemacht haben. Nicht umsonst gehört(e) der klassische Bausparvertrag zum Erwachsen werden doch dazu. Nach dem die Tinte getrocknet ist, kann dann Tag und Nacht daraufhin gearbeitet werden, sich auf die Freiheit vorzubereiten bzw. davon träumen zu können.  

In letzter Zeit kommt es mir so vor als sprächen alle nur noch über Inflation, Zinssatz und Zinseszins anstatt über die klassischen Themen an der Theke. Mit oder ohne Olive? Geschüttelt oder doch gerührt? 1, 2 oder 3 Fliegen im Sambuca? Ich für meinen Teil komme schon ins Schwitzen, wenn es um die einfachste Prozentrechnung geht. Durch 100 oder mal 100? Mathematikstudium dann im nächsten Leben. Aber immer mit drei Kaffeebohnen. Versteht sich doch von selbst.

Das eine große Ziel vom Eigenheim muss aber dann doch eigentlich nicht mehr sein, oder? Ginge die Art oder der Ort des Lebens denn nicht auch anders? Anders in einer 1,5-Zimmer Wohnung mitten in der Stadt oder in einer 5er WG wo auch immer innerhalb oder außerhalb der Stadt? KBB? Küche Bad Balkon? Leben im ausgebauten Multivan? Oder doch gleich komplett im Hotel Atlantic? Jeden Tag die Chance auszuchecken! Auschecken aus dem engen Korsett in der Stadt oder der Wohnung oder doch aus dem viel zu großen Einfamilienhaus auf dem Land mit entspannender Gartenarbeit? Das wäre doch mal was. Hauptsache raus…raus in die Freiheit und aus den in den Kopf gepflanzten Vorstellungen dieser einen Zeichentrickfigur?

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„Freiheit“. Nachgeschlagen lässt es sich gut beschreiben mit der Möglichkeit der Selbstbestimmung und der freien Entscheidung. 27 Stunden Anreise mit Bus und Bahn wären da so eine Entscheidung. Drei Mal umsteigen mit knapp bemessener Umsteigezeit. Äh…. Über sieben Brücken musst du…über Stock und Stein. All das ändert nichts an dem Gefühl, nach langer Zeit am Meer mit nackten Füßen im Sand auf diese eine, ganz berühmte, horizontale Stelle zu schauen und sich jedes Mal aufs Neue „frei“ zu fühlen. Frei wie die Möwen auf dem Meer (oder über der Wurstbude) und nur den Horizont (oder die Pommes) im Blick.

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Freiheit muss am Ende wohl doch nicht in Stein gemeißelt (oder durch Steine gebaut) sein. Manchmal reicht da auch schon der Blick auf den Horizont (mit Pommes?), um für eine kurze Zeit auszuchecken. Ich schau mal kurz nach ner guten Zugverbindung ans Meer….

#3 Langeweile 5110

Ein sehr schlauer und weiser Mensch sprach im ungefähren Wortlaut davon, dass „es unzählige Monde her sein muss, von dem Phänomen, dass wir früher, zur Schule oder aufs Feld gehend, immerzu darauf warteten, abends im warmen Bett der Gute-Nacht-Geschichte lauschen zu dürfen“. Müde vom anstrengenden Tag erklangen die wohlvertrauten Worte der geliebten Mutter (oder dem Vater oder der Großeltern...) wie zarte und umarmende Berührungen. Geschichten vom bösen Wolf oder vom frechen Jungen irgendwo im hohen Norden Europas. Auf viele solcher verschiedensten Geschichten, mal frei erfunden, mal abgeändert aus alten abgewetzten Büchern zitiert, warteten damals die Kinder und Jugendlichen und erfreuten sich all der Eindrücke in der eigenen Vorstellung. Mal waren es zwanzig Minuten, mal über eine halbe Stunde, anderntags auch mal nur knappe 10 Minuten.

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10 Minuten von ganzen 24 Stunden zu je 60 Minuten. Dafür muss kein Taschenrechner bzw. musste kein Rechenschieber zur Hilfe geholt werden. Es war ein kleiner, ein ganz, ganz kleiner Bruchteil vom Ganzen. Vom ganzen Tag! 23 Stunden und 50 Minuten blieben vom Tag. Genug Zeit auf die Schiefertafeln in den Schulen zu schauen oder um die riesigen und furchteinflößenden Dinosaurier zu jagen (damals in der Steinzeit und im Grunde gefühlt noch weit davor…), damit abends etwas zu Essen auf dem Tisch ist. Der Magen soll doch nicht hungrig auf die Geschichte warten! Vor mehr als 65 Millionen Jahren lebten Tyrannosaurus Rex, der Brachiosaurus und viele weitere Tiere aus dem Jurassic Park. Ja! Immer wieder schön daran zu denken, wie damals die Mutter eines Bekannten ernsthaft fragte „wie die denn die großen Tiere für die Filme so gut gezähmt gekriegt hätten“…

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Mit meinem damaligen Mobiltelefon, welches auch gut und gerne Nokia Brachiosaurus 10 genannt werden hätte können, hätte sie jedenfalls damals nicht „googlen“ können, wie die Tiere denn nun wirklich gezähmt wurden. 1998 jedenfalls wurde das berühmte Nokia 5110 auf den Markt gebracht. Die Zeit der Dinosaurier war damals (vor 25 Jahren!) gefühlt irgendwie näher dran als heute der gestrige Tag. „Was haben wir gestern Abend nochmal gegessen?“ Schneller, höher, weiter (und nun handytechnisch schon wieder klappbar). Mindestens 10 Jahre später aber wurde langsam das heute nicht mehr wegzudenke Smartphone salonfähig und spätestens damit wurden die beliebten Gute-Nacht-Geschichten mit anderen sehr sinnvollen Dingen ausgetauscht. Zahlreiche Apps machen es uns heute so viel einfacher, der Langeweile zu entkommen. 23 Stunden und 50 Minuten Zeit Nachrichten zu schreiben, zu lesen oder auf selbige zu warten (Hallo? Mehr als 5 Minuten sollte eine Antwort doch heute echt nicht mehr dauern, oder???). Der kleine Blick auf den zu blau leuchtenden Bildschirm schadet doch nicht. 750 weitere Blicke später hat sich an der Langeweile immer noch nicht viel geändert und wir warten auf den nächsten spannenden Moment. Gibt es wohl eine App gegen Langeweile? Was ist denn Langeweile heute eigentlich? Langeweile, mal zwei Minuten keinen Schwachsinn im Smartphone anzuklicken? Kein neues Rezept für eine Spagetti Cabonara? Hallo? Doch nicht mit Sahne!!! Oder döneressende (immer donnerstags) Teenager im Kinderzimmer? Reality-Stars im Schönheitswahn? Schlaue Menschen, die irgendwas von Gute-Nacht-Geschichten erzählen?

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23 Stunden und 50 Minuten Zeit, von solchen Dingen abgelenkt zu werden. War es nun ein berühmter Philosoph vor hunderten von Jahren, der diese Zeilen hier einleitete? Oder doch ein neureicher Unternehmer, der ab und an auch mal den richtigen Ton trifft?

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Aber DER Pandabär ist aber nun wirklich witzig, oder?

#4 Blick aus dem Fenster

Waren es nun die Worte von Thomas Gottschalk oder doch Marcel Reich-Ranicki die mich bei jeder Bahn-Fahrt daran erinnern doch nun wirklich endlich mal mehr aus dem Fenster zu schauen als pausenlos aufs Smartphone. So ganz genau kann ich mich nicht daran erinnern wer denn nun diese romantischen und so richtigen Worte in einer seiner damaligen TV-Shows sagte. Zusammengefasst gehörte es damals nämlich zum schlechten Ton während einer Fahrt mit der Eisenbahn eben nicht glücklich und zufrieden aus dem Fenster zu schauen und die blühenden Landschaften zu bewundern, sondern stattdessen ein Buch oder die Zeitung zu lesen…

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Nach Hamburg und deren kleinem Sonderbahnhof am Dammtor (warum hält der ICE da und nicht in meinem Heimatörtchen?) geht es über Itzehoe, Heide (Holst), Husum und Niebüll immerzu vorbei an dem flachen Norden, der so wunderbar unberührt und voller Schafe dahinvegetiert und der mich immer noch und wahrscheinlich immerzu in seinem Bann hält. Tiefes ein- und ausatmen. Durchatmen. Rein ins Shavasana. Rein in die pure Entspannung. In die totale Bewegungslosigkeit. Ruhe. Aus-ruhen.

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Sicher geht das genauso schön an der herrlichen Rhein-Main-Strecke auf dem Weg in den Süden Deutschlands. Für manche hart gesottenen Menschen mag sich auch die Strecke von Münster nach Köln anfühlen wie Urlaub. Durch unzählige Ruhrpottstädte (warum hält der in Gelsenkirchen?) fühlt es sich zwar eher an wie eine Regionalbahn auf dem Weg nach Castrop-Rauxel. Aber nun gut. Falls ein Sitzplatz ergattern werden konnte, lohnt sich auch dort der Blick aus dem Fenster. Zechen. Stadien. Bratwurstbuden. Trinkhallen. Irgendwie genauso schön wie Grünflächen mit wolligen Bewohnern drauf. Aber das liegt dann ja alles immer im Auge der Personen die gerade aus dem Fenster kucken (norddeutsch für gucken) können.

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Auch wenn es dank dem 49€ Ticket nun für die meisten Menschen in Deutschland möglich ist jeden Tag mit dem Zug von A nach B zu fahren, machen sich Menschen mit denen ich manchmal im Zug sitze bzw. sitzen muss, fortlaufend Gedanken dazu wie und wo man denn bald noch einen Sitzplatz finden soll….“jetzt wo hier auf einmal alle mit Zug fahren wollen“. Anstatt sich für diejenigen einfach mal mitzufreuen und es über sich ergehen lassen das neben einem nun mal nicht der Rucksack sitzt, sondern Person XYZ, mit der ein Gespräch ja vielleicht sogar ganz erhellend sein könnte, wird eben öfters mal was Neues, immerzu nur gemeckert. Über das Wetter. Die 5 Minuten Verspätung der doofen deutschen Bahn. Das viel zu kross gebackene Laugengebäck vom SB-Bäcker. Das Wetter (nebenbei erwähnt übrigens ein tolles Magazin…) ist ja eh nur noch Glückssache!

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Hoffentlich wird dann aber bald so richtig gemeckert, wenn das 49€ Ticket entweder komplett abgeschafft wird oder doch mal eben um 200% verteuert wird. Das wäre doch mal was. Meckern für andere… aber erstmal wäre es schön wenn mein Rucksack endlich wieder neben mir sitzen darf….oder?

#5 Echt(e) Gefühle

Obwohl damals in meiner Jugend viele meiner engsten Freunde zwar nicht Kim, Andreas, Kai, Florian und Gunnar hießen (ihre Namen sind zum Glück auch heute noch fast die gleichen) sind sie heute mindestens noch genauso präsent, wie aktuell (wieder) die deutsche Teenie-Band ECHT aus den 90er/00er Jahren. Hochverdient und wirklich sehenswert bringt der damalige Sänger und heutige Filmemacher Kim Frank die gemeinsam erlebte musikalische und freundschaftliche Reise bzw. Achterbahnfahrt der Teenager nach ca. 20 Jahren wieder auf die Leinwände (in der ARD Mediathek) zu uns nach Hause ins eigene Wohnzimmer. Mit Lavalampe? Heute ja wieder „modern“…

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Manchmal muss dann wohl erst ein wenig Zeit vergehen… müssen Schritte zurückgegangen werden….müssen Dinge hinter sich gelassen werden… um zu erkennen, wie wertvoll Menschen, Orte oder Dinge sein können oder (eben irgendwie eigentlich doch immer schon gewesen) sind.

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Auf wieviel verschiedene Bereiche im Leben ließe sich das alles projizieren? Am Ende wird ja doch wieder alles gut, oder? Warum warten wir dann alle manchmal ein gefühltes halbes Leben lang (oder sogar bis zum „bitteren“ Ende), um bestimmte Dinge zu begreifen. Warum ergreifen wir nicht einfach schon viel früher die Chance und hauen einfach mal raus (und nicht ab), was uns bewegt…was uns beschäftigt…was uns wichtig ist! Müssen wir erst „kurtige“ Bücher (Buchtipp „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ von Kurt Krömer) lesen oder eben Dokumentationen über Teenager-Bands schauen, um über bestimmte Themen zu sprechen?

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Traurige Gedanken, unglückliche Zeiten, dunkle Jahreszeiten, schlechte Stimmungen und vieles mehr sollten doch für niemanden auf dem Planeten Gründe sein, um sich für irgendetwas zu schämen oder schlecht zu fühlen (schlechte Stimmung hatten wir doch gerade schon). Harte Schale – weicher Kern? Von wann dieser (gute und wahre) Kalenderspruch stammt ist mir nicht überliefert. Im Grunde aber kommt es ja zum Glück kein Stück auf die Schale an, sondern eben auf das Innere! Das ist zum einen zwar bei allen Menschen gleich (rotes Blut, usw.) und zum anderen bei jedem Menschen eben unterschiedlich und anders. Grund genug einfach mal zuzuhören. Oder?

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Es wäre doch so einfach, wenn wir nicht erst von irgendwo oder irgendwem „weg gehen müssten“ und einfach direkt mit den (geliebten) Menschen vor Ort (im Wohnzimmer zum Beispiel) drüber sprechen würden können. „Gemeinsam durch dick und dünn gehen“ - Was genau das eigentlich nun schon wieder bedeuten soll finde ich dann hoffentlich bald mal raus….und im Grunde soll man ja eh bleiben, wenn´s am Schönsten ist…

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….oder wie ging der Kalenderspruch noch gleich? Naja, egal…“ich bin dann mal wech“….und warte auf den nächsten Kalender zu Weihnachten von meinem Onkel mit den besagten Lieblingssprüchen für das kommende Jahr….

#6 Einrenken

Die erste Definition oder Beschreibung, die bei dem Wort „einrenken“ von Dr. Google ausgespuckt wird, stellt fest, dass ein „Gelenk drehend in die richtige Lage zurückgeführt wird. Im zweiten Satz dann wird von „wieder in Ordnung bringen“ gesprochen.

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Bevor irgendetwas wieder in Ordnung gebracht werden kann, müsste dann ja folgerichtig eigentlich vorher irgendwas durcheinandergebracht werden, oder? Zimmer aufräumen, Akten ordnen, Fotos in später dann kiloschwere Fotoalbum einkleben. Und die Zwischenseiten aus Pergamin bitte immer ordentlich glattstreichen. „Eselsohren wollen wir hier nicht“. Früher habe ich es geliebt mit meinem Onkel zu Biggi (Brigitte hieß die damalige Eigentümerin) in den Fotomarkt zu gehen und Fotos abzuholen. 32 Fotos im Format 10 x 15. Hochglanz. Zu Hause dann der spannende Moment. Sind alle Fotos „was geworden“? Wie oft war der Blitz nicht an? Wie oft war der Finger vor der Linse? Die meisten Fotos waren dann irgendwie immer vom selbst angelegten Garten bei meiner Oma. Zwei Meter breite orangefarbene Kürbisse. Hochglanz. Einsortiert in das speziell gemusterte, eben schon angesprochene, Fotoalbum, ergab das dann am Ende zwar eher ein Kochbuch ohne Rezepte als ein Familienalbum, aber immerhin wurde eingeklebt, was das Zeug hält oder eben hielt.

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Fotos entwickeln gehört ja heute wohl leider eher in die Abteilung „Hochzeits-Gadgets“ als in den gewöhnlichen Haushalt. Heutzutage gibt es wahrscheinlich mehr Eltern mit einer Spiegelreflexkamera als Menschen, die wirklich wissen, was sie da für ein Gerät in den Händen halten. Weitwinkel, Autofokus, Automatik. Klack Klack Klack. Film voll. 2.500 Fotos vom ersten Lebensjahr sind im Kasten! Wahrscheinlich auch Hochglanz. Die 32 Fotos wurden, da ich mich nicht mehr wirklich dran erinnern kann, hoffe ich es, mit mehr Mühe und Hingabe „verknippst“ als die 2.500 Schüsse mit der teuren Canon EOS 123.

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32 Momente für die Ewigkeit. Wenn nicht gerade das xte Familienfoto auf der xten Familienfeier zusammengestellt werden musste, waren auf den Abzügen (ja, so nannte sich das früher) Schnappschüsse, die heute hunderte Male gestellt und initiiert aufgenommen werden müssen. Alles für den einzigarten Moment bei Tiktok und Co. Wir haben das allerbeste Leben. Und das sollen bitte aaaaalle sehen!

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Jetzt n paar Fotos von Omas Gemüsegarten würden mich nun wirklich glücklich machen. Wann bringen wir das denn endlich mal wieder in Ordnung und genießen den Moment und knippsen einfach mal ein Foto von ner Zucchini im Garten.. oder von der Plautze (ohne einziehen) auf der Picknickdecke im Freibad?

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Irgendwo müsste ich doch noch so ne 35mm Kamera rumliegen haben.

Kann Google mir da wohl auch irgendwie bei der Suche helfen?

#7 Warentrenner

Wir alle kennen diese irgendwie unangenehme Situation: Vollgepackt mit viel zu vielen Sachen, die man eigentlich nicht einkaufen wollte, steht man an der Kasse in der Schlange, die Chipstüte zwischen den Zähnen, wartend darauf, die Lebensmittel auf das Rollband legen zu dürfen. Anschließend wird eilig nach dem Warentrenner gegriffen, um diesen akkurat zwischen den eigenen und denen der anderen Waren zu platzieren. Hier soll bitte alles seine Ordnung haben. Typisch Deutsch? Keine Ahnung, ob Menschen in anderen Ländern auch solch einen Trenner haben und ob dieser dann auch immer so spießerhaft genutzt wird. Viel schlimmer, und das ist mir nun wirklich noch in keinem anderen Land der Erde aufgefallen, ist die Situation, wo „nur eine Kasse geöffnet“ ist. Wartet in Deutschland ein Kunde mal eine Minute zu lange, schallt es durch die Gänge im Markt „neue Kaaaasse bittääää“. Als wäre das nicht schlimm genug, stehen nun gefühlt alle parat, um den Moment abzupassen und fluchtartig zur neuen Kasse wechseln zu können. Ein bisschen erinnert mich das immer an die TV Show „1, 2 oder 3“, die damals noch von Michael Schanze moderiert wurde. Wild sprangen die Kinder hin und her zappelnd und entschieden sich am Ende irgendwie auch für eine Art Kasse mit tollem Spielzeug. So jeden falls habe ich es in Erinnerung. Genauer hingegen sehe ich die Menschen vor mir, die der älteren Dame mit Rollator (auch Hackenporsche genannt) auf keinen Fall den Platz vor ihnen in der Schlange gönnen und in Windeseile an ihr vorbeiziehen, um ihre Einkäufe aufs Band zu schmeißen. „Ja, wieder zwei Minuten gewonnen!“

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Zweieinhalb Minuten mehr Zeit für was? Die vorherigen 5 Minuten, in denen alles so abgrundtief schlecht war, weil eben nur eine Kasse offen war…. die sind dann natürlich komplett vergessen, oder? Schon eine komische Rechnung, die wir uns da ja irgendwie alle ab und an aufmachen. Ich zähle mich bewusst dazu. Schließlich war ich in Mathe (und Kunst) immer recht gut.  In den meisten Fällen spielt das „aufmachen“ einer Kasse zwar keine Rolle, aber irgendwie fehlt uns allen dann doch sehr oft mal die Geduld, oder? Die Bahn hat 7 Minuten Verspätung? Ich glaube ich schreibe mal direkt eine Hass-Nachricht über die Deutsche Bahn bei Twitter (oder wie auch immer das heute heißt). Die Liste ließe sich ganz einfach ins unendlich lange erweitern und fortführen.

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Aber wohin würde das denn dann schon wieder führen? Ins nächste Gemecker über irgendwas, „was uns ja bald sicher auch noch genommen wird“? Ohne das nun bis zum Ende durchgezählt zu haben, frage ich mich schon, woher bzw. wohin das Ganze führen soll? Den meisten Menschen, die ich so im näheren Umfeld kenne, geht es verglichen mit anderen Menschen in anderen Ländern sehr, sehr gut. Im Grunde führen alle damit verglichen ein Leben in Saus und Braus. Jederzeit die Möglichkeit, in den Urlaub zu fahren/fliegen/beamen… Jederzeit die Möglichkeit im Supermarkt alles einzukaufen, was man möchte (wenn die verdammte zweite Kasse denn endlich mal öffnet).

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Wäre es nicht endlich mal an der Zeit, die Uhr ein wenig weniger im Blick zu haben. Kurze Erinnerung an die 2,5 Minuten zu 5 Minuten Rechnung. Wäre doch mal eine spannende Idee bzw. eine neue Challenge. Nach den mittlerweile sehr beliebten Dryuaray und /oder Veganuary direkt in den Chilluary (Chillen = Entspannen) und alles ein wenig lockerer sehen. An der Kasse in den 5 Minuten einfach mal mit der älteren Dame über das Wetter sprechen… mit der auf der Straße lebenden Person mal ein paar Worte sprechen als abwinkend und ignorierend vorbei gehen… (1-2 Euro habt ihr ja sicher über!) … anstatt sich über den Müll auf der Straße aufzuregen, einfach mal kurz handgreiflich werden und den Mist in die nächste Tonne werfen….

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Kleinigkeiten können, so glaube ich, schon ein wenig bewirken. Für unsere Mitmenschen und Umgebung, aber auch für uns. Raus mit dem Groll. Welche Aufforderung passt da besser als „Bitte ein neues Herz öffnen!“

#8 Hast du alles?

Im Grunde könnte ich diese Kolumne genauso anfangen wie die letzte. Da es thematisch irgendwie passt (zumindest zu mir und einigen anderen…), mache ich das einfach mal und greife die ersten Worte wieder auf. „Wir alle kennen diese“ Plattitüden und gefühlt komplett austauschbaren Worte (manchmal auch Sätze) die manche Menschen im engeren Umkreis (Familie, Freunde, Frisör….) beim Besuch z.B. in der alten Heimat uns mit ins Auto geben. Die Fensterscheibe leicht runtergekurbelt, den halben Kopf reingesteckt, werden dann eben Sätze zum hundertsten Mal aufgesagt die ich schon vorher ganz genau vorhersagen könnte. „Hast du alles?“ „Melde dich wenn du zu Hause bist“, „Fahr vorsichtig“. Letzteres müsste ich dann zwar an den Menschen weitergeben der oder die den Zug steuert… Aber was soll´s… um Umweltschutz oder Nachhaltigkeit oder so soll es hier heute mal nicht gehen! Eher über gesprochene oder eben geschriebene Wörter.

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Das Wort „Kurbeln“ liest sich irgendwie romantischer als „runterfahren“. Wie genau der Vorgang eigentlich technisch bezeichnet wird, weiß ich gar nicht. Auf jeden Fall bewirkt beides das die Fensterscheibe im Auto geöffnet wird. Und da das Wort eben besser zu Heimat und den damit verbundenen sentimentalen Gefühlen in der Bauchgegend passt…erinnere ich mich einfach nun an die Zeit wo noch gekurbelt wurde! Besonders schön war es immer die Fensterscheiben in sehr alten Autos zu kurbeln. Da wirkte alles irgendwie eingestaubt und eingeklemmt. Das kurbeln fühlte sich auf jeden Fall tausend Mal schwerer an als bei den neuen Autos. Viel leichter fühlt es sich heute auch nicht an, wenn ich die Heimat nach einem Familienbesuch wieder verlasse. Alte Erinnerung an den Ort wo ich groß geworden bin. An jeder Ecke in der Straße ist irgendwas ganz Bedeutendes passiert. Was genau weiß ich zwar gar nicht mehr. Aber es fühlt sich einfach irgendwie so an. Mein altes Kinderzimmer ist zwar mittlerweile anders eingerichtet. Aber hinter den Tapeten (die bisher nicht abgespachtelt wurden) kleben auf jeden Fall noch viele Erinnerungen an die frühere Zeit.

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Die Tür musste immer einen Spalt aufbleiben. Das Licht im Flur brannte die ganze Nacht über. Irgendwie gab mir das damals wohl eine Sicherheit mit der ich besser einschlafen konnte. Heute schlafen ja die meisten irgendwie schlecht. Dauernd wach. Nur einige Stunden durchschlafen. Nicht wieder einschlafen können. Voller Gedanken (und dem blauen Handylicht) aufwühlt wach. Und schon steht der nächste Morgen vor der Tür (die immer noch offenbleiben muss)!

Jeden Tag konsumieren mir neben den drei Mahlzeiten, Frühstück, Mittagessen und Abendbrot (bei uns gibt es ja Abends warm!) noch tausend weitere kleine Happen an Informationen. Augen auf. Handywecker ausstellen und dann direkt die ersten Whattsapp Nachrichten lesen. Kaffee frisch aufbrühen (logisch, ist ja gerade wieder super hipp) und direkt ran an den Rechner. Mails lesen, nebenbei im Teamchat erste Kommunikationen starten, Online-Zeitung als PDF runterladen (die großformatige Zeitung war natürlich vieeeeel schöner zu lesen!), nebenbei WDR 4 hören und die besten Oldies aller Zeiten reinziehen…. So geht das den ganzen lieben lang Tag weiter. Keine Minuten Ruhe, keine Momente an nichts denken. Immer weiter. Immer mehr. Was kommt als nächstes? Oder was kommt als letztes?

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Manchmal reicht es dann wohl doch einfach auf sehr ernst gemeinte Fragen zu antworten. „Melde dich wenn du zu Hause bist“…. So abgedroschen und doch irgendwie so schön! Hab ich alles? Oder muss es doch noch mehr sein? Eigentlich nicht…..oder? Also einfach mal ein wenig das Fenster runterkurbeln und den Fahrtwind genießen…

#9 Die drei Fragezeichen

Man soll ja bei der Übermittlung von neuen Nachrichten immer mit den eher schlechten Dingen anfangen und dann mit den guten enden. Bei dem beliebten Hörspiel, welches heute ja von sehr vielen eher nur noch als Einschlafhilfe (…nicht weil es so langweilig ist!) konsumiert wird, stört mich heute wie damals der viel zu laut „brabbelnde“ Blacky, seines Zeichen ein sogenannter Mynah, eine besondere tropische Starenart.

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Aber wir wollten ja eigentlich nur mit einer, naja eigentlich nicht wirklich negativen Aussage starten. Blacky kann ja schließlich nichts für sein etwas zu lautes Organ. Etwas „dafür können“ die drei Fragezeichen, namens Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews schon wenn es darum geht, dass sie immer noch die besten Freunde sind. Jede mögliche freie Minute verbringen sie zusammen und versuchen hoch spannende und knifflige Fälle zu lösen. Mal geht es um einen mysteriösen Knochenmann, mal um verschwundene Schätze oder um den berühmten Teufelsberg. Immer jedoch geht es gleichermaßen um das Gemeinsame, das Verbindende und den engen Zusammenhalt. Ich denke solche „kleinen“ Geschichten um Freundschaften zählen dann ganz gewiss zu den guten Nachrichten…

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Wenn ich einmal im Jahr mit meinen Urzeitfreunden (nicht die aus dem Yps-Heftchen…) auf Reisen gehe bzw. wohl eher fahre, haben wir uns manchmal knappe 365 Tage nicht gesehen. Ab und an im Jahr gibt es zwar immer mal wieder bestimmte Anlässe wo man sich vereinzelt trifft oder wo einfach nur Sprachnachrichten oder alter Erinnerungsfotos hin und her geschickt werden. Immerhin. Zum Glück! Hätten die drei Detektive nicht so ein fulminantes Einschlaf-Comeback in den Schlafzimmern gefeiert, wer weiß wie oft sich die drei heute noch auf dem Schrottplatz von Titus Jonas treffen würden. Vielleicht ja auch nur einmal im Jahr?!? Faszinierend und zugleich beruhigend schön ist es jedes Mal zu fühlen wie vertraut man sich nach all den Jahren immer noch ist. Von jetzt auf gleich wird ein Schalter umgelegt und die nächsten Stunden vergehen wie damals im beliebten Partykeller unter bei unserem Freund Becki. Auch wenn die Themen heute (zum Glück) etwas erwachsender sind, lassen sich alle verschiedenen Denkweisen entspannt miteinander diskutieren und auf eine bestimmte Art auch „aus-philosophieren“ (falls es das Wort gibt…)

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Auch wenn mal ein mir eigentlich bekannter und gerade vergessener Schriftsteller einmal sagte, dass die schlimmsten Unterhaltungen die über die „alten Storys“ aus der Vergangenheit sind, sind es dann nun halt doch mit die schönsten Momente in der früheren Zeit zu schwelgen. Denn neben diesen ganzen alten Dingen, haben wir ja vorher und nachher immer noch genügend Zeit neue Geschichten zu schreiben (oder zu erleben). Nur weil wir damals zusammen im Planschbecken lagen, müssen wir doch nicht dieses Jahr drauf verzichten…

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Ich jedenfalls zähle jetzt schon die Tage, lege meine Badehose parat und suche mir gleich mal eine schöne Kassette* von den drei ??? raus…

(* natürlich habe ich die Folge auf dem nervigen Smartphone ausgesucht, runtergeladen, angemacht und nach 3,5 Minuten nichts mehr davon mitbekommen…)

#10 Die Bank am Mehr

In unserer deutschen ab und an herrlich doppeldeutiger Sprache hat das Wort “Bank” ja bekanntlich mehrere Bedeutungen. Zum einen ist es ein Ort an dem man (sein) Geld mehr oder weniger sinnvoll oder sinnlos anlegen kann oder sich selbiges teuer leihen kann… und zum anderen steht das Wort für ein Möbelstück, um eben nicht mehr die ganze Zeit rumstehen zu müssen. Eine Möglichkeit halt, Platz zu nehmen.

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Ein Ort, um "zur Ruhe zu kommen”. Um sich “auszuruhen” vom Alltag. Ein Ort an dem man entweder alleine seine eigenen Gedanken ordnen kann oder zum Beispiel (es gibt sicher noch tausend weitere schöne Nutzungszwecke) ein Gespräch mit einer anderen Person führen kann. Mehr braucht es dazu nicht. Ein einfaches Möbelstück aus Holz, Stahl oder aus welchem Material (recyceltem Plastik wäre doch mal was) auch immer. Die Geschichten, die dort Platz genommen haben, haben sicher millionenfach mehr Jahresringe als das Holz, aus dem es (die Bank) geschnitzt wurde, jemals hätte haben können.

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Im Park (oder halt zum Beispiel am Meer) bietet die Bank eben mehr als nur die Option “Platz zu nehmen”. Sie bietet Raum für Neues. Raum zum Zuhören. Ob Freunden oder Fremden (die vielleicht zu Freunden werden könnten?) bietet das nebeneinander sitzen die Chance, sich gegenseitig zuzuhören. In der Mittagspause beim Pausenbrot oder der Quinoa-Bowl mit Granatäpfeln und Feigendatteldressing, hört der eine dem anderen Menschen einfach mal zu. Wer tut das denn heute noch wirklich? Der Person mal fünf (fünfzich wären zwar besser, aber kleine Schritte und so…machen auch Mist) Minuten zuhören. “Gehör schenken”. Irgendwie machen bzw. ergeben die beiden Wörter, jetzt wo ich sie so schreibe, auf einmal und zum ersten Mal so richtig Sinn.

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Absolut keinen Sinn macht dann umso mehr (bzw. eigentlich weniger), dass es im öffentlichen Raum und hier vor allem in den Bereichen, wo Bänke vermehrt zum Ausruhen genutzt werden (dafür wurden sie ja wahrscheinlich mal erfunden, oder?!?) immer weniger vorhanden sind. Wird die Einsamkeit der Menschen immer größer, werden die Sitzmöglichkeiten (Bänke, Stühle, usw.) immer weniger. Warum ist das so? Warum wird Architektur “defensiv” und lässt Menschen “depressiv” zurück? Wem ist damit geholfen? Dem Staat? Oder der Bank? “Der sicheren Bank”. Auf diese Steine können Sie bauen”?  Das Thema hatten wir ja früher schon einmal hier in der Kolumne…

 

Gäbe es doch nur eine Bank hier in der Nähe, wo ich diese Geschichte einer anderen Person erzählen könnte. Vielleicht würde es ja jmd. interessieren und gemeinsam könnten wir uns gemeinsam eine Zeit lang ausruhen. Und ganz vielleicht tauschen wir ja sogar unsere Pausenbrote…wie damals…

#11 Das letzte Abendbrot

Über hochklassige (und sicher auch sehr hochpreisige) Kunstwerke soll es hier nun eigentlich nicht gehen. Das letzte Abendmahl vom berühmten Leonardo da Vinci handelt vom letzten gemeinsamen Abendbrot von Jesus und seinen Jüngern. Brot und Wein sind im Grunde aber die einzigen Parallelen dieses Textes, die etwas mit diesem 422 cm mal 904 cm großen Gemälde zu tun haben.

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Brot und Wein kaufen wir dann ja alle irgendwann mal im nächstgelegenen Supermarkt ein. Je nach Lidl, Rewe oder Penny kostet ein leckerer (jaja, über Geschmack lässt sich…) Rotwein da schon mal 2,49€. Für alle, die bei Rotwein unter 5,00€ schon direkt weiterblättern wollen, bitte nehmen Sie meine nicht vorhandenen Sommelier-Kenntnisse nicht zu ernst. Genauso wie bei der Auswahl von Mehrkornbrötchen, Sesambrötchen, Semmeln, Laugenstangen, Croissants oder Aufbackbrötchen aus der Alu-Dose. Geschmäcker sind verschieden. Knack und Back. Oder?

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Stundenlange Diskussionen über selbigen (Geschmack halt) machen dann ja ab und an doch immer mal wieder Spaß. Allzu ernst sollte man das dann ja bitte nur nicht nehmen. Für manche scheint ein köstlich zubereitetes Eisbein genauso verlockend zu sein wie für andere die hier schon oft beschriebene Quinoa Bowl vom angesagten Laden um die Ecke. Wie genau der nun heißt spielt ja auch wirklich keine Rolle. Falafel-Rolle zum Beispiel wäre dann eher so meins. Heimlich hoffe ich natürlich, dass nicht wirklich noch jemand das angebliche Lieblingsgericht (Eisbein…) von Immanuel Kant ver(z)ehrt!

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In der Mittagspause werden heute ja eher schnelle Gerichte nebenbei verschlungen, um ja keine Zeit am Arbeitsplatz zu verbringen. Manchmal sind 15 Minuten für die Box-to-Go dann halt gerade noch drin. Abends werden dann die vor der Tür wartenden Pakete von „Hello Fresh“ gekocht und immerhin (hoffentlich) gemeinsam am Esstisch verzehrt. „Darf ich aufstehen“ könnte zwar auch heute noch von mir kommen, erinnert mich aber dann doch an die Kindheit, wo es sich für mich unerträglich anfühlte auch nur 5 Sekunden länger am Tisch sitzen bleiben zu müssen. Jetzt wiederum überlege ich gerade, wann ich mein letztes richtiges Abendmahl hatte. Für mich jedenfalls war das dann das klassische Abendbrot mit einer tollen Auswahl an Käse, Wurst (gibt es heute ja auch geschmacklich ganz okay in vegetarischer Form), Aufstrichen, eingelegten Gurken, gekochten Eiern, und vielen anderen tollen Dingen. Obwohl das ganze wahrscheinlich ganz langweilig und ohne großartige Romantik auf den Tisch gestellt wurde, fühlte bzw. fühlt es sich heute immer noch wie ein großes Ereignis an. Wie ein kleines bzw. großes Gemälde halt.

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Beim nächsten Gespräch mit meiner Mutter frage ich mal nach, wieviel Sekunden ich da damals wirklich sitzen bleiben konnte… und freue mich aufs gemeinsame Abendbrot. Dann aber mit viel mehr Zeit und Sitzfleisch im Gepäck. Denn eigentlich sollte uns allen besser heute als morgen bewusstwerden, dass es im Grunde egal ist, wie teuer nun am Ende die Bio-Salami im Supermarkt ist. Kostbarer und wertvoller ist und bleibt die gemeinsame Zeit am Küchentisch.

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